Über eine literarisch äußerst ergiebige Verwirrung der Leidenschaften
Wahrhaft erstaunlich, wie intensiv sich die menschliche Phantasie Vorstellungen von Sex mit Tieren und anderen nichtmenschlichen Wesen hingeben kann. Ein durchaus absonderliches Thema. Vielleicht sollte ich damit beginnen, wie ich überhaupt darauf gekommen bin.
In einem völlig anderen Zusammenhang stieß ich auf eine Liste mit etwas über dreißig Tierarten. Eine große Zahl von Testpersonen war danach gefragt worden, wie liebenswert sie die verschiedenen Spezies einstuften. Nicht besonders verwunderlich, dass Mücken, Taranteln, Ratten und Klapperschlangen ganz unten auf der Skala rangierten. Die Spitzenreiter bildeten – natürlich! – Hunde, gleichauf mit Delphinen und dicht gefolgt von Schimpansen und Kaninchen.
Eine sehr spezielle Tierart belegte den etwas enttäuschenden siebenten Platz: Der Mensch (1). Überraschend war dieses mittelmäßige Abschneiden für mich deshalb, weil Menschen ja vor allem Angehörige der eigenen Art sexuell anziehend, also besonders schön finden sollten. Biologisch ist eine derartige Einseitigkeit durchaus sinnvoll. Denn die sexuelle Vorliebe für fremde Spezies stellt im wahrsten Sinne des Wortes verlorene Liebesmüh dar. Wer sein Interesse auf die eigene Art beschränkt, ist fortpflanzungsmäßig klar im Vorteil.
Das Ganze konnte also nur eines bedeuten: Dass dieses Ranking mit Sex rein gar nichts zu tun hatte. Offensichtlich ging es um Sympathie und um höchst allgemeine ästhetische Messlatten. Mit diesen Überlegungen renkte sich die Welt für mich wieder ein. Bis mir ein zweiter Gedanke dämmerte. Gibt es nicht doch den einen oder anderen Zeitgenossen, der gegenüber Tieren unkeusche Regungen verspürt? Sodomie lautet der allgemein gebräuchliche Begriff dafür. Und zieht sich das Thema nicht wie ein roter Faden durch Mythologie, Literatur und Film (darüber wird noch ausführlich zu sprechen sein)?
Nun kam Hunt 1974 in einer größeren Befragungsaktion zum Ergebnis, dass ungefähr 3,5% der Bevölkerung zu irgendeinem Zeitpunkt Sex mit Tieren hatten (2). Was im Umkehrschluss bedeutet: Über 96% aller Artgenossen können mit keinen Erfahrungen dieses Einschlags aufwarten.
Allerdings sind 3,5% nicht 0%. Tatsächlich gab es mensch-tierliche Affären zu allen Zeiten. Bemerkenswert die Reaktion des Alten Fritz, als ruchbar wurde, dass sich ein preußischer Kavallerist an einer Stute vergangen hatte.“Der Kerl ist ein Schwein und gehört zur Infanterie!“
Noch die Faszination junger Reiterinnen für ihre Pferde deutet Jürgen Wolter als vage und milde Form der Zoophilie – so der Fachausdruck fürs sexuelle Interesse an Tieren (3).
Doch bei harmlosen Schwärmereien bleibt es nicht. Edmund Haferbeck von der Tierrechtsorganisation Peta weist darauf hin, dass es einen harten Kern von 10-15.000 eingefleischten Sodomiten in Deutschland gibt, die sich auf einschlägigen Internetplattformen vernetzen. Besonders schwer wiegt dabei, dass sexuell missbrauchte Tiere Stresssymptome und Verhaltensstörungen zeigen. Womit es sich eindeutig um Tierquälerei handele (4).
Immer wieder wird auch von Fällen berichtet, in denen Hühner derartige Übergriffe mit dem Leben bezahlen. Zudem sind Messerattacken auf Pferde, die oft tödlich enden, anscheinend sehr stark zoophil motiviert. Seit 1993 gab es allein in Deutschland fast 1000 Fälle (5). Um es auf den Punkt zu bringen: In der Realität entpuppt sich Sodomie als ziemlich gruselige Angelegenheit. Und doch: Wer auch nur oberflächlich in der Kulturgeschichte blättert, stößt wieder und wieder auf dieses Erzählmotiv – von Leda mit dem Schwan bis zum Froschkönig.
Gibt es eine evolutionsbiologische Erklärung für diese bizarre Obsession? Ich weiß es nicht. Doch bin ich der Meinung, dass hier zwei Faktoren maßgeblich hineinspielen.
Zum einen ist dem Menschen ein geradezu exorbitantes Faible für alles zu Eigen, was lebendig ist. Vor allem für Tiere. Evolutionär begründen lässt sich das damit, dass er als Teil einer engverflochtenen Gemeinschaft von Lebewesen seit jeher größtes Interesse an den anderen Lebensformen in seinem Biotop hegt.
Wie die Anthropologin Pat Shipman vermutet, hat sich dieses Interesse noch erheblich verstärkt, als der Mensch vor etwas über 2 Millionen Jahren zum Jäger wurde und die genaue Beobachtung von Tieren, vor allem konkurrierenden Raubtieren und natürlich dem Jagdwild, zur Überlebensfrage wurde (6).
Auf eine neue Stufe gehoben wurde diese Verbindung, als unsere Spezies vor einigen tausend Jahren anfing, Tiere zu domestizieren und seit dieser Zeit mit ihnen in quasi symbiotischer Beziehung lebt. Diese evolutionär bedingte „Tierfixierung“ lässt sich sogar in Zahlen ausdrücken: Allein in Deutschland werden ca. 30 Millionen Haustiere gehalten – Tiere also, die keinerlei wirtschaftliche Bedeutung haben und allein zum Vergnügen von Herrchen und Frauchen da sind (7).
Der zweite Faktor betrifft die menschliche Sexualität. Vergleicht man uns mit anderen Tierarten, können wir eigentlich nur hypersexuell genannt werden. Welche andere Spezies denkt schon ständig an Sex? Der Menschenmann tut es ungefähr einmal pro Stunde, bei Frauen ist es halb so oft (8).
Der entscheidende evolutionäre Hintergrund besteht darin, dass beim Menschen die fruchtbaren Tage nach dem Eisprung verdeckt sind. Im Gegensatz dazu treten zum Beispiel bei Schimpansenweibchen in diesem Zeitraum Rötungen und Schwellungen des Hinterteils auf. Das ist die einzige Zeitspanne, in der sie zum Sex bereit sind. Bei einigen Säugetieren ist das sogar nur einmal im Jahr der Fall. Beim Menschen ist das anders: Er steht sozusagen im sexuellen Dauerbereitschaftsdienst. Die evolutionären Mechanismen für die menschliche Sonderentwicklung sind recht komplex. Bei Jared Diamond etwa werden sie gut dargestellt (9).
Wir haben es also mit zwei Tendenzen in der menschlichen Psyche zu tun: Gesteigerte Vorliebe für Tiere plus gesteigerte Sexualität. Können sich diese Faktoren nicht gelegentlich berühren? Ist es wirklich so unwahrscheinlich, dass die entzündliche menschliche Libido gelegentlich auf andere Spezies überspringt?
Fragen wie diese berühren bisweilen sogar entferntere Probleme der menschlichen Evolution. Im Jahr 2009 traten die Genetiker Gregory Cochran und Henry Harpending mit einer aufsehenerregenden Spekulation an die Öffentlichkeit: Der biologisch moderne Mensch (Homo sapiens) habe sich während seiner Einwanderung nach Europa vor ca. 35.000 Jahren hin und wieder mit den alteingesessenen Neandertalern gekreuzt und damit einige vorteilhafte Gene ins eigene Genom geschleust. Den Einwand, dass sich die beiden Menschentypen körperlich recht stark unterschieden und damit psychische Barrieren bestanden, die sexuelle Kontakte verhinderten, ließen sie nicht gelten. Schließlich hätten Menschen nicht nur Sex mit Tieren, sondern zum Beispiel auch mit Staubsaugern und aufblasbaren Puppen (10). Nur ein Jahr später gelang es dem Molekularanthropologen Svante Pääbo, aus fossilen Knochen die gesamte Neandertaler-DNA zu gewinnen und zu analysieren. Einige Genabschnitte fanden sich auch bei modernen Europäern wieder, nicht aber bei Afrikanern. Der Beweis, dass diese Vermischung auf europäischem Boden tatsächlich stattgefunden hat (11).
Gut also, halten wir fest: Unter – wohl eher seltenen – Umständen kann Sex mit nichtmenschlichen Partnern einen Kick darstellen. Es bleibt allerdings ein Problem, das bereits angesprochen wurde. Biologisch hat Sex nur Sinn, wenn die Partner zueinander passen. Aus Paarungen von Pferd und Esel geht der Maulesel hervor, der selber allerdings meistens steril ist und eine genetische Sackgasse darstellt. Zur Vermeidung derartiger Fehltritte verfügen wir über angeborene Partnerleitschemata, die uns einflüstern, wer als Partner akzeptabel ist und wer nicht. Auch wenn er nach dem Schimpansen unser biologisch nächster Verwandter ist, betrachten wir den Gorilla sicherlich nicht als menschliches Wesen. Träten seine körperlichen Merkmale wie tiefliegende Augen, breite, platte Nase, hervorspringender Kiefer und Gesichtsbehaarung bei einem Menschen auf, fänden wir es wohl ausgesprochen abstoßend (12). Die Vorstellung von Sex mit Nichtmenschen hat also durchaus ihre traumatischen Aspekte. Besonders wenn man bedenkt, wie der Nachwuchs aus solchen Verbindungen aussieht …
Im Endeffekt reiben sich hier zwei Prinzipien: Zoophilie als entlegener Außenbezirk sexueller Möglichkeiten und als Alptraum. Demnach sollte „Fremd-Sex“ eine äußert zwiespältige Angelegenheit darstellen. Und ziemlich genau das ist es, was uns in der weltweiten kulturellen Überlieferung entgegentritt.
Einen Vorgeschmack auf die eher lustvollen Aspekte der Zoophilie bieten die Playboy Bunnys – hübsche Mädels, die als Servicedamen in den Playboyclubs ihren Dienst taten. Höchst charakteristisch ihre Kostüme, zu denen unabdingbar Häschenohren gehörten (13). Hier wurde körperliche Attraktivität unübersehbar durch Kuscheltierniedlichkeit unterstrichen.
Dass sich das alles noch steigern lässt, verraten die „Furries“. Das sind die Leute, die es lieben, in Tier- oder Comictierkostüme zu schlüpfen und damit neben Trekkies und Cosplayern einen weiteren subkulturellen Trachtenverein etablieren. Auch wenn es für die meisten nur Spaß, Kult oder Lebensstil bedeutet, bleibt ein gewisser erotischer Unterton vernehmbar. Mit 17% zoophil Geneigten erreicht dieses Gesellschaftssegment immerhin das Fünffache verglichen mit der Gesamtbevölkerung (14).
Dazu fällt mir der Kubrick-Film „Shining“ ein. Auf ihrer panischen Flucht durch die Gänge des Overlook-Hotels wirft Wendy Torrance ihren Blick in eine Suite. Dort erkennt sie jemanden im Hündchenkostüm, der vor einem Mann in Abendgarderobe kniet und ihm offenbar sexuell zu Diensten ist. Auf den, der nur den Film kennt, muss diese Szene absolut kontextfrei und surreal wirken. Im Roman wird aber ein Hinweis gegeben: In den zwanziger Jahren war ein homosexueller Angestellter dem Hotelmanager komplett verfallen. Der ließ sich anlässlich eines Maskenballs herab, seinen Untergebenen zum Zuge kommen zu lassen – wenn der das brave Hündchen spielte. Kreuzt der Bedienstete mit Wendy die Blicke, schauen sich also zwei sexuell Ausgebeutete in die Augen. Und damit stellt diese Szene nicht nur eine Halluzination dar, sondern im Gegenteil einen Augenblick der Wahrheit, der das ungute Vermächtnis des Hotels enthüllt.
Handelt es sich bei Bunnys und Furries um neuzeitliche Ausprägungen des Themas, lassen sich unschwer auch antike Vorläufer finden. Einen wahren Fetisch um Auftritte in Tiergestalt trieb Göttervater Zeus. Indem er sich der schönen Leda als Schwan näherte, wurde ein Motiv geschaffen, das in der abendländischen Malerei erhebliche Bedeutung erlangte. Auf den allermeisten Darstellungen erweckt Leda übrigens durchaus nicht den Eindruck heftigen Widerstrebens.
Einer anderen Sage nach wurde die phönizische Königstochter Europa von Zeus in seiner machomäßigen „Kraftgestalt“ des Stiers geraubt und nach Kreta verschleppt. Bleibt festzuhalten, dass unser Kontinent einer zoophil angehauchten Affäre seinen Namen verdankt.
Nun waren die Griechen nicht die ersten, die das Feld der Zoophilie beackerten. Schon aus altsteinzeitlicher Zeit sind Hinweise überliefert – zum Beispiel Knochengravuren, die eine Löwin beim Belecken eines menschlichen Genitals zeigen (15).
Daneben lohnt ein Blick auf die völkerkundlichen Forschungs-bestände, zum Beispiel auf Eskimomärchen. Das Thema Heirat, oder neutraler gesagt Paarbindung, nimmt bei ihnen keinen allzu wichtigen Rang ein – und wenn, dann in einer Form, die erheblich vom europäischen Hochzeitsmärchen abweicht: Typische Titel aus der Eskimotradition lauten „Der Hund, der ein Mädchen zur Frau nahm“, „Der Wal und seine Frau“, „Der Bären-Gatte“, „Die Frau, die einen großen Wurm zum Mann nahm“ oder „Die Frau, die sich mit einer Krabbe verheiratete“. Auch wenn darin die Vereinigung über Speziesgrenzen hinweg mit größter Selbstverständlichkeit hingenommen wird, stellt sie selten den triumphalen Endpunkt der Geschichte dar, sondern eher den Beginn der Komplikationen (16).
Noch wesentlich ambivalenter bietet sich die europäische Geschichte von der Schönen und dem Biest dar. In einer Art Dauerschleife wird das Motiv alle Nase lang neu verfilmt, wobei dem Biest besonders in US-amerikanischen Produktionen durchaus geschmeichelt wird, indem es am ehesten noch an einen Stofftierlöwen erinnert. Allerdings existieren auch bildliche Darstellungen, die eine Kröte oder einen Wildeber zeigen. Die frühesten schriftlichen Versionen stammen auf dem Frankreich des 18. Jahrhunderts. Märchenforscher sehen darin Trainingsmaterial für höhere Töchter, die sich mit den Unwägbarkeiten arrangierter Heiraten vertraut zu machen hatten (17). Vergleichende Studien lassen aber vermuten, dass das Motiv mehrere tausend Jahre alt ist.
Eine uralte Verwandtschaft besteht wahrscheinlich auch zum Froschkönig. Auch dies eine Geschichte vom eher zwiespältigen Typ. Zwar entwickelt die Prinzessin erhebliche Vorbehalte, mit dem Amphibium das Bett zu teilen, dennoch mündet das Ganze in ein märchenhaftes Happy-End.
Auf andere Weise ambivalent treten uns die Kentauren der griechischen Mythologie entgegen – Wesen mit menschlichen Oberkörpern und Schädeln auf einem Pferderumpf. Weder ihrer Erscheinung noch ihrer Herkunft von einem halbgöttlichen Bastard und einer Stutenzucht wegen schienen sie als besonders abstoßend zu gelten – höchstens als etwas nervig, sexbesessen, cholerisch und sprunghaft (kein Wunder bei vier Pferdebeinen. Kleiner Witz.)
Das kulturelle Menschheitsgedächtnis hat allerdings nicht nur Sexualpartner aus der zoologischen Systematik zu bieten, sondern auch solche aus ganz anderen Sphären.
In der frühen Neuzeit scheint in Europa eine veritable Epidemie nächtlicher sexueller Übergriffe geherrscht zu haben – durch Dämonen in Menschengestalt. Traten sie als Männer auf, die ehrbare Ehefrauen im Schlafgemach heimsuchten, wurden sie Incubus genannt, Succubus hieß das weibliche Gegenstück. Wenn sie Frauen schwängerten (mit ihrem charakteristischen eiskalten Samen), oder wenn Succubi den armen Ehemännern das Sperma stahlen, so taten sie das, um ihrer eigenen verruchten Rasse den Fortbestand zu sichern. Davon jedenfalls war Martin Luther überzeugt. Dem gegenüber sieht der Ufologe Lars Fischinger hier mittelalterliche Gegenstücke zu sexuellen Experimenten von Alien, wie sie auch heute noch an Ort und Stelle vorgenommen werden, oder Teil einer Alienentführung darstellen (18). Eine äußerst interessante Spur, der wir später noch detaillierter nachgehen werden.
Mag sein, dass die Betroffenen ihre nicht ganz alltäglichen (oder allnächtlichen) Abenteuer anfangs gern zum Besten gaben. Später dürften sie sehr viel vorsichtiger geworden sein. Denn mittlerweile war die Inquisition auf das Spektakel aufmerksam geworden – und interpretierte es gern als willige Vereinigung mit dem Teufel.
Und damit springen wir hinein in den Zauberkessel, in dem Hexenwahn und angebliche Teufelsanbetung brodeln. Die Vorstellung, dass sich die Hexen gemäß der „flight schedules“ ihrer Besen alljährlich in der Walpurgisnacht zu einem wahrhaft orgiastischen Event auf dem Blocksberg versammelten, ist durchtränkt von zoophilen Motiven. Den absoluten Höhepunkt dieses gesellschaftlichen Großereignisses bildete natürlich das Encounter mit dem Chef persönlich. „… [D]er Teufel war oft in Tiergestalt, sah aus wie ein Bock, hatte kurze Hörner, gespaltene Hufe, ein dichtes Fell und einen buschigen Schwanz. Immer aber hatte er ein mächtiges, hartes und kaltes Glied (3)“.
Naheliegend zu vermuten, dass das derb erotische Moment hier noch durch den adrenalinförderlichen Reiz des Bösen und Verbotenen gesteigert wurde. Nun handelt es sich nach Wolter allerdings um keine Imaginationen der Volkskultur, sondern um die juristisch gebildeter und erbarmungslos durchgreifender Inquisitoren.
An einem benachbarten Ort irgendwo zwischen Abscheu und Wollust ist „Der Traum der Fischersfrau“ des berühmten japanischen Farbholzschnittkünstlers Hokusai (1760-1849) angesiedelt.
Allerdings geht es hier nicht orgiastisch zu, sondern – vom Gesichtsausdruck der Frau her zu urteilen und ein abgegriffenes Klischee strapazierend – eher asiatisch kontemplativ. Dabei hat der Künstler alles andere als ein Kuscheltier ins Bild gesetzt, sondern eher ein Wesen, das der Phantasie eines H.P. Lovecraft entsprungen sein könnte.
Im Gegensatz dazu war expliziter Sex im massentauglichen klassischen Horrorfilm natürlich ein komplettes No-Go. Trotzdem ist bei Monster-Ikonen wie King Kong, Werwolf und Dracula ein gewisses erotisches Knistern zu vernehmen. Besonders die Neuverfilmungen von King Kong lassen sich verdächtig viel Zeit für Szenen eines geradezu bukolischen Idylls zwischen weißer Frau und Mega-Affen.
Auf Werwölfe gemünzt setzten Streifen wie „Twilight-Saga“ oder „Das Tier“ unter Einhaltung aller Anstandsregeln stark auf die Evokation von animalisch kraftvollem Sex.
Und auch im Vampirismus ist ein zoophiles Element auszumachen – auch wenn es vielleicht nicht ganz so offen zu Tage tritt. Mit dem Hinweis auf die Beziehungen zwischen Vampirbiß und Oralsex bin ich bei weitem nicht der erste und werde mit Sicherheit auch nicht der letzte sein. Andererseits weist die Vampirgestalt eine ganze Reihe von Raubtiermerkmalen auf; etwa lange Fangzähne, raubtierhafte längliche Pupillen oder Krallen. Außerdem ist sie nachtaktiv und tötet vorzugsweise durch einen Biss in die Kehle (19). Hinzufügen lässt sich, dass Vampire für uns nur eingeschränkt wahrnehmbar sind (wie ein Raubtier, das sich anpirscht) – etwa dadurch, dass sie kein Spiegelbild haben oder sich in einen Nebel auflösen können.
Kein schamhaftes Feigenblatt benötigte die griechische Sage vom Minotaurus. Eines Tages entbrannte die kretische Königin vor Leidenschaft zu einem prächtigen Stier (diesmal nicht Zeus inkognito). Auch in dieser Geschichte halten sich Lust und Schrecken die Waage. Einerseits vollzog sich die körperliche Vereinigung durchaus einvernehmlich. Heraus kam bei diesem Techtelmechtel allerdings der Minotaurus – das stierköpfige, in sein Labyrinth verbannte Ungeheuer, das jährlich frisches Menschenfleisch als Tribut forderte.
Erzählt wurden zum geschlechtlichen Verhältnis zwischen Mensch und Nichtmensch auch Geschichten, in der sich nichts Angenehmes und Sinnliches mehr finden lässt.
In der mittelalterlichen Helden- und Ritterepik stellt der Drache, der nicht an sich halten kann, unschuldige Jungfrauen zu rauben, so etwas wie eine Charakterrolle dar. Seine Vorliebe für schöne junge Frauen lässt lüsterne Motive vermuten. Die beste Gelegenheit für stolze Recken, sich als heldenhafte Retter in der Not zu erweisen und dem anthropophilen Ungetüm den Garaus zu machen.
In China gibt es ein Märchen, das auffallende Parallelen zum Froschkönig aufweist, aber eine komplett horrormäßige Wendung nimmt: Eine junge Frau lebt zusammen mit ihrem Vater auf einem Bauernhof. Eines Tages wird der Vater zum Kriegsdienst einberufen. Unglücklich und allein gelassen beginnt das Mädchen, mit ihrem Pferd zu sprechen. Dabei lässt sie sich dazu hinreißen, dem Hengst die Heirat zu versprechen, wenn er ihren Vater zurückbringt. Tatsächlich bricht das Tier aus dem Stall aus und kehrt wenige Tage später mit dem Vater zurück. Es kommt, wie es kommen muss: Der Vierbeiner wird zudringlich und pocht auf Einlösung des Versprechens. In seiner Not tötet der Vater den Hengst und häutet ihn ab. Aber eines Nachts macht sich die Haut auf den Weg zur Tochter, umschlingt sie und kraucht mit ihr zu einem Baum. Am nächsten Tag findet man beide an einem Ast hängend und in einen Seidenraupenkokon verwandelt (20).
1887 trat der französische Bildhauer Emmanuel Frémiet mit einer Skulptur an die Öffentlichkeit, die einen Gorilla zeigt, wie er eine sich heftig wehrende Frau entführt. Dies war bereits die zweite Version des Themas aus den Händen des biologisch interessierten Skulpteurs. Frémiets eigenem Bekunden nach stellte es so etwas wie einen Kommentar zur Darwinschen Evolutionstheorie dar (21). Von der King-Kong-Idylle jedenfalls keine Spur, hier herrscht brutale Gewalt.
Ein anderer Franzose, Prosper Mérimée, widmete seine Erzählung „Lokis“ (1869) einem ganz ähnlichen Thema. Eine litauische Adlige wurde während einer Jagdpartie von einem wilden Bären entführt (und geschwängert, wie man munkelte). Auf jeden Fall erregte ihr nach dieser Episode geborener Sohn durch ungewöhnliche Kraft und Wildheit von Jugend an einiges Aufsehen. In der Hochzeitsnacht fand man seine Braut zerfleischt im Ehegemach. Der Graf selbst war verschwunden, nur einige blutige Bärenspuren führten ins Freie. Erzählt wird die Geschichte aus der Perspektive eines deutschen Geistlichen und Sprachforschers, der den Auftrag erhalten hatte, das Neue Testament in einen litauischen Dialekt zu übersetzen. Seine Bemerkung, dass es sich um die urtümlichste indoeuropäische Sprache überhaupt handele, ist wohl so zu deuten, dass seine Mission zu so etwas wie eine Reise in die evolutionäre Vergangenheit des Menschen geriet – und dass wir unter zivilisatorischer Fassade immer noch wilde Bestien sind.
Sein Name ist bereits gefallen: H.P. Lovecraft. In seiner Erzählung „Schatten über Innsmouth“ geht es um den Niedergang der gleichnamigen Kleinstadt irgendwo in Neuengland. Das Schicksal der Gemeinde wurde besiegelt, als ihre Bewohner einen Handel mit geheimen Meeresbewohnern – halb Fisch, halb Mensch – abschlossen. Gold gegen die Pflicht, sich mit den Tiefen Wesen zu paaren und ihnen zu gestatten, in Innsmouth zu leben. Nach und nach wurde die Stadt von Wesen okkupiert, die mit zunehmendem Alter ein immer stärker fischartiges Aussehen, den „Innsmouth-Look“, annahmen, bis sie schließlich endgültig ins Meer zurückkehrten. In diesem Werk wurde nicht nur Zoophilie als von unerträglichem Fischgeruch umwabertes Skandalon dargestellt, sondern griff auch angesichts fremdartig aussehender Menschen Lovecrafts berüchtigter Rassismus ungehemmt und überbordend um sich.
Lovecraft gilt als ein Pionier der Science Fiction. In späteren Werken, besonders im Film, wurden alptraumhafte Begattungen durch Außerirdische noch stärker akzentuiert. Mehr als einmal verfilmt wurden unter anderem die sogenannten Alienentführungen, um die sich ein ganzer Kranz von urban legends gebildet hat. Betroffene berichten, dass – während sie nachts im Bett lagen – wie aus dem Nichts fremdartige Wesen an ihrem Bett erschienen, als ob sie durch Wände gehen könnten. Meist schaffen die Aliens den Wehrlosen dann in ihr Raumschiff, wo sie allerei Manipulationen und Operationen, vor allem an den Genitalien, an ihm vornehmen. Während der Entführte das alles über sich ergehen lassen muss, spürt er eine komplette körperliche Lähmung.
Nüchtern wie sie ist, bringt die moderne Wissenschaft diesen Einbruch des Übernatürlichen mittlerweile mit der sogenannten Schlafparalyse in Zusammenhang. Während wir schlafen, schüttet das Gehirn Hormone aus, die unsere Skelettmuskeln stilllegen. Diese Lähmung dient als Schutz, da wir sonst alle Bewegungen, von denen wir träumen, tatsächlich ausführen würden. Bei Schlafwandlern funktioniert dieser Mechanismus nur unvollständig.
Ungefähr 40 bis 50 Prozent der Bevölkerung haben gelegentlich mit dem umgekehrten Problem zu kämpfen – der Schlaflähmung. Bei ihnen kommt es immer wieder vor, dass das Nervensystem beim Aufwachen nicht komplett umschaltet. Während der Betreffende bei Bewusstsein ist, bleibt er unfähig, sich zu bewegen. Gleichzeitig hat das Gehirn noch nicht völlig in den Wachzustand zurückgefunden, sondern produziert weiterhin Traumbilder, die halluzinatorisch erlebt werden. Obwohl dieser Zustand nur wenige Minuten anhält, wird er als äußerst unangenehm geschildert (22). Da Männer und Frauen vor allem in der Zeit vor dem Aufwachen häufig körperliche sexuelle Reaktionen entwickeln, ist die erotische Komponente dieser Halluzinationen nicht besonders mysteriös. Und da es die Schlafparalyse nicht erst seit gestern gibt, ist es gar nicht so abwegig anzunehmen, dass sie auch für die alte Mär von Incubus und Succubus verantwortlich ist.
Im originalen „Alien – Das unheimliche Wesen aus einer anderen Welt“ wird das sexuelle Motiv noch eher indirekt angedeutet: Das Riesenfeld mit den Alien-Eiern vermittelt einen Eindruck von der enormen Fruchtbarkeit des Wesens. Die Szene, in der sich der außerirdische Nachwuchs durch Kanes Brustkorb den Weg ins Freie bahnt, stellt eine Art perverser Schwangerschaft dar. Und wenn sich Sigourney Weaver in ihrer Rolle als Ripley im Rettungsraumschiff, in das sich mittlerweile das Wesen heimlich eingenistet hat, bis auf T-Shirt und Slip entkleidet, wird ein Bild der Intimität und äußerster Verletzbarkeit heraufbeschworen. Ab dem dritten Teil wird Ripley dann jedoch als kontaminierte (geschwängerte) Keimträgerin des Aliens dargestellt.
Noch etwas traumatischer geht es in der Neuauflage der „Fliege“ von Cronenberg zu. Dort werden wir Zeuge, wie Gena Davis notfallmäßig in die Entbindungsstation eingeliefert wird und dann diese riesenhafte Insektenlarve zur Welt bringt – was sich dann allerdings als Alptraum herausstellt.
In der Horror-Science-Fiction-Komödie „Slithers” (2006) mutiert ein weibliches Opfer zur absurd aufgedunsenen Gebärmaschine für die bösen Alien-Invasoren.
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- http://www.maz-online.de/Lokales/Oberhavel/Sodomie-Die-Dunkelziffer-ist-hoch
- http://www.nyaryum.de/17870-Sodomie-Das-grausame-Gemetzel-an-Tieren
- Shipman, Pat (2010): The Animal Connection and Human Evolution. In: Current Anthropology, Vol 51, Nr. 4. S. 519-538.
- https://de.statista.com/themen/174/haustiere/
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- Diamond, Jared (2009): Warum macht Sex Spaß? Frankfurt am Main.
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- https://susannaforrest.wordpress.com/2010/10/07/a-chinese-fairytale/
- http://www.ngv.vic.gov.au/essay/stowed-away-emmanuel-fremiets-gorilla-carrying-off-a-woman-2-2/
- Bördlein, Christoph (2002): Das sockenfressende Monster in der Waschmaschine. Aschaffenburg.